Leichte Sprache


Ein Rückblick auf meine Schul- und Studienzeit

Vorstellung

Moin, mein Name ist Julia. Ich bin funktional einäugig und habe auf dem rechten Auge einen Visus von 0,2 mit Korrektur (Kontaktlinse und Brille).

Zusätzlich ist das Auge durch einen starken Nystagmus (Augenzittern) eingeschränkt. Dieser erschwert mir das Fokussieren.

Dank des Landesförderzentrums Sehen Schleswig (LFS) konnte ich trotz meiner starken Sehbehinderung mein Abitur an einer Regelschule in Bargteheide abschließen. Auch erreichte ich letztes Jahr den akademischen Grad Bachelor of Arts im Studiengang Soziale Arbeit in Fulda. Ich möchte euch kurz erzählen, wie ich die Schul- und  Studienzeit mit meiner Sehbehinderung erlebt habe.

Wie war die Schulzeit?

Ich komme ursprünglich aus Polen. Als ich dann hier in Deutschland in die 1. Klasse kam, konnte ich nur wenig deutsch und noch weniger sehen. Also war der Anfang gar nicht so leicht. Mit der Zeit wurde sowohl mein Deutsch als auch mein Umgang mit meiner Sehbehinderung durch die Unterstützung von den Mitarbeitenden im LFS immer besser. Das LFS war für mich und meine Familie der erste Ansprechpartner in Hinblick auf meine Sehbehinderung. Wenn ich ehrlich bin, waren die Kurse in der Schulzeit für mich die Highlights. Sie hatten viele Vorteile: Man hat schulfrei bekommen, konnte seine neugewonnenen Freunde wiedersehen und coolen Aktivitäten nachgehen. Ich habe alle Kurse wahrgenommen, wie ich nur konnte und würde auch heute noch einmal mit auf den Skikurs gehen 😉 In den Kursen wurde einem mit Verständnis begegnet. Die Erfahrungen, die ich in den Kursen sammeln konnte, haben mir geholfen, die gesamte Schulzeit zu überstehen.

Durch die Begleitung in der Schulzeit konnte ich viele Hilfsmittel ausprobieren, welche ich teilweise auch gerne nutzte. Soweit alles gut. Doch je höher die Schulstufe, desto kleiner und unordentlicher schrieben die Lehrenden an die Tafel und desto kleiner und unschärfer wurden die Arbeitsblätter. Ich hatte das Gefühl, dass mehr Sehkraft erfordert wurde, um gut in der Schule sein zu können. Auch wenn die Mitarbeitende des LFS alles daransetzten, den Lehrern die Sehbehinderung und den zugehörigen Nachteilsausgleich zu erklären, wollte ich ab einem bestimmten Alter einfach keine Sonderbehandlung mehr haben. Egal, wie sehr sich das LFS darum bemühte, mir das Leben zu erleichtern. Doch ich wollte das nicht. Ich wollte zu anderen gehören. Ich wollte keine riesige Kamera neben mir stehen haben, sondern einen Sitznachbarn. Ich weigerte mich, weitere Hilfsmittel anzunehmen und versuchte mit den Hilfsmitteln (Brille, Lupe) klarzukommen, die ich hatte. Ich habe dadurch in vielen Fächern Schwierigkeiten gehabt, hinterher zu kommen.

Irgendwann hatte ich allgemein keine Motivation mehr, mir Mühe zu geben und war kurz davor, die Schule abzubrechen. Dank der Unterstützung und Geduld meiner Beratungslehrerin vom LFS und meiner Klassenlehrerin habe ich es trotz der Schwierigkeiten geschafft, das Abitur zu bestehen.

Doch ein Appell an alle: Macht nicht denselben Fehler. Macht euch das Leben nicht unnötig schwer und nehmt die Hilfe an, die ihr kriegen könnt. Das kann euch vieles erleichtern und ganz wichtig: achtet nicht auf die Meinung anderer. Die anderen können nicht verstehen, wie viel schwieriger die Schule für uns Sehbehinderte und Blinde ist.

Wie war das Studium?

Da ich mich schon immer für Psychologie interessiert habe, wollte ich nach der Schule anfangen zu studieren. Doch da meine Noten nicht so gut waren, habe ich mich für ein Studium der Sozialen Arbeit beworben und wurde auch angenommen. Ich habe mich entschlossen, zwei große Hürden gleichzeitig zu meistern. Ich begann das Studium 500 Kilometer weit von zuhause und somit auch das selbstständige Leben. Das gestaltete sich zu Beginn gar nicht so einfach. Ihr wisst ja, wie schwer es ist, sich in neuen Umgebungen zu orientieren und zurecht zu kommen. Doch mit der Zeit funktionierte alles besser und ich muss sagen, es war eine der besten Entscheidungen, die ich treffen konnte. Ich habe viele großartige Menschen aus sämtlichen Ländern kennengelernt und mit ihnen das Campus-, Party- und Wohnheimleben gelebt. Durch die vielen Nachfragen, was mit meinen Augen los ist, musste ich mich immer wieder aufs Neue mit meiner eigenen Sehbehinderung auseinandersetzen. Ich habe mich durch das Studium in der Zeit entfalten – und viel über mich lernen können.

Fazit

Jetzt geht mein Weg weiter. Ich mache gerade meinen Master, um anschließend die Ausbildung als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin zu absolvieren. Jedenfalls werde ich es versuchen.

Wenn ihr selbst betroffen seid:

Eine Sehbehinderung definiert euch nicht und sollte euch nicht davon abhalten, die Ziele zu erreichen, welche ihr euch vorgenommen habt. Trotz der Herausforderungen, die sich durch eure individuelle Sehbeeinträchtigung ergibt, seid ihr genauso fähig und talentiert wie jeder andere Mensch auf dieser Welt. Vertraut euch selbst! Ich hoffe, ihr geht euren Träumen und Wünschen nach, auch wenn euch Stolpersteine in den Weg gelegt werden. Versucht diese zu überwinden oder zu umgehen und lasst euch nicht unterkriegen.

Eure Julia



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